In finsteren Zeiten ein wenig erschöpft, aber dennoch unverdrossen
Einmal mehr erfolgreich gescheitert
Ich bin, wie meine Biographie belegt, zunächst einmal Sozialwissenschaftler. Erst in jüngerer Zeit habe ich damit begonnen, vermehrt auch schriftstellerisch zu arbeiten - im Bewusstsein und rasch auch in der erklärten Absicht, mich mit den Ergebnissen meiner Arbeit vor allem in einer kleineren regionalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Corona war dem dann leider nicht gerade förderlich. Zugleich aber habe ich in den beiden letzten Jahren noch einmal mit aller Kraft versucht, neben einigen Ergebnissen meiner literarischen auch solche meiner wissenschaftlichen Arbeit in einer breiteren Öffentlichkeit ‚unter die Leute zu bringen', also ein wenig Resonanz zu erzeugen. Denn auch da gilt schließlich: man will nicht nur für sich selbst im Bemühen um ein besseres Verstehen schreiben. Man möchte vielmehr auch gelesen werden. Und man setzt die Bemühungen darum entgegen allen Erfahrungen eines ‚erfolgreichen Scheiterns' immer wieder fort.
Im letzten Jahr habe ich das ja wiederholt reflektiert. So heißt es in meinem Blog vom November 2021:
„Ich bin einmal mehr erfolgreich gescheitert. Es ist mir nicht gelungen, hochgesteckte Ziele zu erreichen - u.a. mit Hilfe dieser Homepage als Kern eines breiter angelegten publizistischen Konzepts doch noch einmal eine deutlich größere Resonanz in Bezug auf meine Arbeiten zu erlangen. Zwar habe ich meine Bücher stets in kleineren Verlagen veröffentlichen können, aber meine Versuche, ein Buchmanuskript bei einem renommierten Verlag unterzubringen, sind wiederholt gescheitert. Doch wenn die Strategie eine Kunst der Aushilfen ist, dann ist die Einrichtung dieser Homepage eine strategisch richtige Entscheidung gewesen. Am Ende meiner Erwerbsbiographie, und zugleich an einer sich seither stetig vertiefenden Bruchlinie zu einigen langjährigen und engen Kooperationspartnern und Weggefährten hier in Dortmund wurde sie in eins das entscheidende Instrument zur weiteren Organisation meiner vornehmlich wissenschaftlichen Arbeit und die für mich bedeutsamste Möglichkeit, immerhin eine, wenn auch deutlich begrenzte Teilöffentlichkeit zu erreichen, die sich an meinen Arbeiten interessiert gezeigt hat. Und immerhin habe ich mich aus dieser Organisation meiner Arbeit heraus in Stand gesetzt, neben fünf Buchpublikationen in regelmäßigen Abständen Aufsätze in einigen politischen Zeitschriften oder auch Beiträge in Sammelbänden unterzubringen. Das ist in meiner Bilanz ausführlich nachzulesen, und in diesem Sinne setze ich meine Arbeit weiter fort."
Seither habe ich mit drei weiteren Buchmanuskripten, einem wissenschaftlichen und zwei literarischen neuerliche Anläufe unternommen, vielleicht doch noch einmal bei einem renommierteren Verlag Erfolg zu haben. Freunde und Kollegen hatten mich einmal mehr dazu ermutigt - und ich habe auch meine Verlagsanschreiben mit der Zeit ein wenig professionalisiert. Das Ergebnis ist, dass ich nun immerhin Absagen erhalten habe. Normal ist ja, dass ein Verlag nichts von sich hören lässt, wenn er ein Angebot in den Papierkorb wandern lässt. Die vier Absagen, die ich so erhalten habe sind zudem überaus freundlich gewesen - im Tenor ähnlich wie die folgende:
Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Einsendung und das damit bekundete Vertrauen in unsere Arbeit. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir gegenwärtig keine Möglichkeit sehen, Ihr interessantes Manuskript im Rahmen unseres Verlagsprogramms zu veröffentlichen. Für Ihren weiteren schriftstellerischen Weg und besonders dieses Projekt wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
„Dieses Projekt", das war in diesem Fall mein Buchmanuskript
- Zeitenwende - Die Krise unseres demokratischen Projekts der Moderne, Putins Krieg und die Suche nach dem Notausgang,
das ich nun zusammen mit anderen wissenschaftlichen und literarischen Texten auf meiner Homepage eingestellt habe. Erfreulich ist für mich gewesen, dass drei der sechs Hauptkapitel in dem oben erwähnten Buchmanuskript - das ich so nie geplant hatte, - zu dem mich dann aber nach einem Aufsatz Zeitenwende - Putins Angriffskrieg, das Ende geopolitischer Denkschablonen und die Herausforderung, dies alles zu verstehen veranlasst gesehen habe - auf Aufsätzen basieren, die ich zuvor in der spw veröffentlichen konnte. In einem Fall geschah dies wegen des Aktualitätsbezugs als Dossier zu einem von deren im Zweimonatsabstand erscheinenden Heften. Ich hatte die Aufsätze für mein Buchmanuskript also nur sorgfältig zu überarbeiten, u. a. um Redundanzen zu vermeiden, und um eine Einleitung und ein Schlusskapitel zu ergänzen. Alles war noch aktuell - meine Analyse des Trumpismus durch die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses des US-amerikanischen Kongresses zudem gerade bestätigt. Unter der Rubrik der ‚kompletten Bücher' ist das Manuskript mit dem sämtlich noch einmal endredaktionell überarbeiteten Aufsätzen - sprachlich,. In Bezug auf Redundanten usw. - auf meiner Homepage zu finden.
Immerhin wieder produktiv und nicht ohne jede Resonanz
Meine gescheiterten Verlagsbemühungen haben mir zu schaffen gemacht. Ich habe mich so unter anderem damit beschäftigt, wie große Autor*innen mit Ihren Erfahrungen des Schreibens umgegangen sind. Der philosophische Literat und literarische Philosoph Albert Camus etwa schreibt in seinem Mittelmeer-Essay Das Rätsel: Der Schriftsteller schreibt zum großen Teil, damit man ihn liest (bewundern wir jene, die das Gegenteil behaupten, aber glauben wir ihnen nicht). Doch mehr und mehr schreibt er bei uns, um jene letzte Weihe zu erreichen, die darin besteht, nicht gelesen zu werden. Diese letzte Weihe des Autors, dessen Bücher in großer Zahl verkauft würden, bestehe darin, so schreibt Camus weiter, dass er, in Zukunft kaum gelesen, aber bekannt sein werde, dies allerdings nach dem Bild, das ein eiliger Pressejournalist von ihm entworfen hat. Und so werde auch er vergessen.
Unter anderem auf diese wenig tröstlichen Gedanken bin ich also von neuem, gestoßen. Auch bei anderen mir wichtigen Autor*innen habe ich von Neuem nachgelesen. Ein Ergebnis dessen ist ein kleiner Essay unter dem Titel:
- Schreiben, erfolgreich scheitern, weiter schreiben .
Im Zuge der neuerliche Aktualisierung meiner Homepage habe ich ihn unter meinen Essays neu eingestellt. Nach gut zwei ohnehin überaus arbeitsintensiven Jahren habe ich also eine schöpferische Pause eingelegt, dann noch einmal einen kleineren letzten ‚Verlagsanlauf' unternommen - und nun vor allem dazu angesetzt, weiter zu schreiben. Meine Homepage steht mir ja weiterhin zur Verfügung - und in der begrenzten regionalen Öffentlichkeit mögen sich nach corona auch wieder neue möglichkeiten ergeben.
Seit Mitte Januar habe ich zudem damit begonnen - inspiriert durch ein Satire-Projekt des LiteraturRaum DortmundRuhr, zu dem eine Veröffentlichung in Vorbereitung ist -, mich intensiv mit politischer Satire zu beschäftigen. Das geschah zunächst essayistisch und dann auch mit eigenen kurzen Prosatexten und Spottgedichten. Putins Krieg hat meinen Bemühungen um bissige und zugleich humoristische literarische Texte zunächst ein abruptes Ende gesetzt. Ich habe meine Arbeit daran dann aber ab April dieses Jahres im Rahmen meines persönlichen Satire-Projekts wieder aufgenommen, Das des LRDR ist inzwischen abgeschlossen gewesen. Ein Buchmanuskript
- Zapfenstreich, Ampellichter, Zeitenwende: Und nun ist wirklich alles anders. Satirische Seitenblicke auf unsere ‚ver-rückte' Welt
habe ich nun ebenfalls auf meiner Homepage eingestellt. Wahrscheinlich werde ich mich mit diesem Gegenstand auch weiterhin beschäftigen. Satire ist aber ziemlich sicher nicht wirklich mein Metier, und wirklich gute Satire ist eine hohe Kunst. Vielleicht aber finden Sie als Besucher meiner Homepage an dem einen oder anderen Prosastück oder Spottgedicht auch in finsteren Zeiten ihr Vergnügen - und zugleich Anregungen zum Weiterdenken.
Aus der leichten Frustration, in die ich im Frühsommer dieses Jahres, wohl auch angesichts der diversen Verlagsabsagen geraten bin, hat mir vor allem eine Anfrage seitens des Humanistischen Verbandes herausgeholfen. Der führt derzeit online ein philosophisches Kolloquium durch, an dem ich gelegentlich teilgenommen habe, und man bot mir an, dort doch einen Vortrag zu Albert Camus zu halten. Wer meine Homepage verfolgt, weiß, dass mich dieser immer politisch hoch engagierte Intellektuelle als literarischer Philosoph und philosophischer Literat seit einigen Jahren stark beschäftigt. Das Angebot war eine willkommene Gelegenheit, sich Camus Werk einmal mehr intensiv zuzuwenden - und zwar vor allem seinen literarischen Arbeiten. Den Vortrag konnte ich zu Beginn dieses Monats halten. Eine verschriftete, ausführlichere Fassung
- Albert Camus: philosophischer Literat, literarischer Philosoph und politisch engagierter Intellektueller - Überlegungen zu seiner existenziellen Philosophie
habe ich nun im Anschluss daran auf meiner Homepage unter meinen philosophischen Texten eingestellt. Die Arbeit daran erwies sich für mich als aufbauend und geradezu erfrischend.
Eine philosophische Reflexion zum Schluss
Gewiss, das führt ‚nur' zu besserer philosophischer Selbstverständigung. Die wissenschaftlichen Analysen über unsere eigene, finsterer werdende Zeit behalten ihre beunruhigende Geltung. Dennoch ist unsere soziale Wirklichkeit in höchstem Maße widersprüchlich und deshalb zur Zukunft hin offen. Also kann man auch im Sinne der Schlusssätze von Richard Sennets Analyse zu der Frage,Was unsere Gesellschaft zusammenhält die These vertreten, dass wir uns in einer Situation des „noch nicht" befinden. Das gilt auch dann, wenn man mit Camus dafür hält, dass das was in der Zukunft zu erreichen ist, immer nur relative Verbesserungen und zeitweilige Erfolge sein werden.
Camus ist, wie selbstverständlich jeder von uns, ein Kind seiner Zeit. Ein anderer bedeutender und lange Zeit vergessener literarischen Philosophen, nämlich Denis Diderot ist sich der Zeitgebundenheit seines Denkens bewusst gewesen - und gleichermaßen der begrenzten Aussichten für aus seiner Sicht mögliche und begrüßenswerte, wenn auch vielleicht nicht wahrscheinliche gesellschaftliche Entwicklungen zu einer Verbesserung der Verhältnisse hin. Was ihn anbelange, so schrieb der große Enzyklopädist in einem Brief aus dem Jahr 1771, könne er versichern, dass ich in anderen Zeitläufen niemals fähig gewesen wäre, auf die Gedanken zu kommen, die ich heute mit mir herumtrage, und dass es seiner Überzeugung nach tausendmal leichter sei , dass ein aufgeklärtes Volk in Barbarei zurückkehrt, als dass ein barbarisches Volk auch nur einen Schritt auf die Zivilisation hin tut. Aber so wie er dann an anderer Stelle schreibt: Ich sehe dies alles und breche doch weiter Lanzen für die Menschheit, gilt auch für Camus, dass ein gewisser Optimismus nicht seine Sache sei und (…) der wahre Pessimismus die vielen Grausamkeiten und Niederträchtigkeiten seiner Zeit sogar noch bejah(e) und überbiete, er aberdas Leben bis in seine Leiden hinein bejahe und noch im schwärzesten Nihilismus (…) (…) nur Gründe suche , ihn zu überwinden. Denn, so fährt er in seinem Essay Das Rätsel wenige Sätze später fort, im Zentrum unseres menschlichen Universums steht nicht die karge Sinnlosigkeit, sondern das Rätsel, das heißt ein Sinn, der schwer zu verstehen ist, weil er blendet. Deshalb hielten Menschen in der Tradition seines mittelmeerischen Denkensschließlich durch - und das gilt in seinemzerfleischten Jahrhundert wie auch in unserem - weil sie verstehen wollen.